Entschließung des 182. Plenums vom 7. Juli 1997 Zu Kredit-Punkte-Systemen und Modularisierung
Im Vergleich mit ausländischen, vor allem europäischen Hochschulsystemen, sind Studiengänge in den Kultur- und Sozialwissenschaften in deutschen Hochschulen wenig bis gar nicht gegliedert und deshalb für Studierende unübersichtlich. Die WRK/HRK hat in der Vergangenheit, zuletzt 19961),
immer wieder auf die Notwendigkeit internationaler Beziehungen der Hochschulen, auf neue
und erweiterte Austauschbeziehungen, die Mobilität und die akademische Zusammenarbeit
hingewiesen2). Bereits 1988 stellte sie fest:
"Internationalität ist seit jeher ein Definitionselement von Wissenschaft und seit
Anfang an wichtige Tradition der Universitäten. ... Während die internationale
Zusammenarbeit im Bereich der Forschung im allgemeinen befriedigen kann, ist die Situation
im Bereich von Studium und Lehre alles andere als zufriedenstellend."3) II. Ausgangslage und Zielsetzungen Aufgrund
sind Überlegungen gefördert worden, in der Bundesrepublik generell die Einführung von Kredit-Punkte-Systemen für studienbegleitende Prüfungen, eventuell in Verbindung mit einer Modularisierung von Studiengängen, zu prüfen. Damit soll erreicht werden, daß
Kreditpunkte-Systeme sind bereits seit längerem im Hochschulbereich in weiten Teilen der Welt verbreitet. Als erste Hochschule führte die Harvard-Universität das Kreditpunkte-System im vergangenen Jahrhundert ein. Zwei Drittel der EU- und EFTA-Staaten verfügen über ein solches System. Außerhalb Europas sind außer in den USA in Australien, Kanada, Lateinamerika, Neuseeland und zahlreichen weiteren Staaten Kreditpunkte-Systeme üblich. Auch in den mittel- und osteuropäischen Staaten sind diese Verfahren inzwischen auf großes Interesse gestoßen. Die in den einzelnen Ländern vorhandenen Systeme sind sehr unterschiedlich gestaltet, können sogar innerhalb eines Landes von Hochschule zu Hochschule variieren. In Deutschland verwenden ungefähr 30 Hochschulen Kreditpunkte-Systeme, meistens im Rahmen des europäischen Systems zur Anrechnung von Studienleistungen (ECTS). Im wesentlichen gibt es drei Modelle: a) Das Kredit-Akkumulierungs-System Dieses System ist vor allen Dingen in den USA verbreitet. Am Ende einer jeden Lehrveranstaltung werden in einem studienbegleitenden Prüfungssystem Kreditpunkte und Noten vergeben. Die Studierenden müssen eine bestimmte Anzahl von Kreditpunkten erwerben und erhalten damit einen akademischen Grad. Die Endnote beruht auf einem gewichteten Notendurchschnitt. Einmal erworbene Kreditpunkte bleiben erhalten. Zwischen- und Endabschlüsse sind in das Kredit-System eingebaut. Wegen der z.B im undergraduate-Studium unüblichen studentischen Mobilität in den USA ist ein Transfer von Kreditpunkten faktisch nicht vorgesehen. b) Das Kredit-Transfer-System Das Europäische System zur Anrechnung von Studienleistungen (ECTS) ist ein Beitrag zur Förderung der Durchlässigkeit zwischen den europäischen Hochschulen. Es ist Bestandteil des SOCRATES-Programms und basiert auf dem Prinzip, durch curriculare Transparenz, Einführung eines einheitlichen Kreditpunkte-Systems sowie Vereinbarungen über die gegenseitige Anerkennung der Kreditpunkte für die Studierenden den Wechsel zwischen verschiedenen Hochschulen zu vereinfachen. Während eines Semesters oder eines Studienjahres müssen Leistungen erbracht werden, die mit einer vorgeschriebenen Anzahl von Kreditpunkten versehen sein müssen, um eine Anerkennung im Heimatland zu gewährleisten. Allerdings sagen die Kreditpunkte nichts über die Noten aus, sondern definieren nur das Arbeitspensum. Die Noten für die erbrachten Leistungen werden jeweils in das ECTS-Notensystem umgerechnet. Über die Erleichterung und Erhöhung der Studentenmobilität hinaus bietet die Beteiligung an ECTS auch für die jeweilige Hochschule Vorteile, da sie dazu führt, über die eigenen Studiengänge und deren Strukturen und Inhalte nachzudenken und sie transparent zu gestalten. Im übrigen basiert ECTS auf gegenseitiger Information, vollständiger Transparenz der Studienangebote und dem Vertrauen zwischen den Hochschulen. Aus Deutschland nahmen 1995/96 255 Studierende als Stipendiaten, 24 als Selbstzahler an einem nach ECTS-Prinzipien organisierten Austausch teil. c) Kredit-Akkumulierungs-Transfer-System Ziele dieses in Großbritannien als CATS bekannten Systems sind sowohl die Akkumulierung von Kreditpunkten als auch ihr Transfer. Im Zusammenhang mit der Einführung von CATS ist auch eine weitgehende Modularisierung der Studiengänge erfolgt. Bei Modulen handelt es sich um in sich geschlossene methodisch und/oder inhaltlich ausgerichtete Lehr- und Lernblöcke, die sowohl konsekutiv innerhalb eines Faches, als auch aus verschiedenen Fächern unterschiedlich kombiniert werden und somit zu verschiedenen Studienschwerpunkten führen können.
IV. Kredit-Punkte-Systeme an deutschen Hochschulen Entsprechend der Dalichow-Studie nahm zum Zeitpunkt der Erhebung knapp jede zehnte deutsche Hochschule an ECTS teil. Laut einer vom Deutschen Akademischen Austauschdienst vorgelegten Auswertung der von 239 deutschen Hochschulen eingereichten SOCRATES-Hochschulanträge 1997/98 haben 42 Prozent dieser Hochschulen angegeben, ECTS für alle Bereiche einführen zu wollen, 36 Prozent beabsichtigen, sich mit Teilbereichen an ECTS zu beteiligen. Eine Reihe weiterer Hochschulen, aber auch an ECTS partizipierende Fakultäten/Fachbereiche, haben eigene Kredit-, Leistungs- oder Anrechnungspunktesysteme entwickelt. Dies läßt vermuten, daß auch zukünftig weitere Initiativen zu erwarten sind. Als Beispiele für unterschiedliche Modelle der Ausgestaltung von Kredit-Punkte-Systemen können die wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge an den Universitäten Bonn, Magdeburg, Frankfurt/M., Bamberg, aber auch der forstwissenschaftliche Studiengang an der Universität Freiburg dienen. Deren ausführliche Beschreibung ist in der Anlage beigefügt. In diesen Studiengängen ist die Einführung von Kreditpunkte-Systemen bereits weit fortgeschritten. Diese Systeme, aber auch andere, z.B. Ingenieurwissenschaften an der TU Hamburg-Harburg, Wirtschaftsingenieurwesen und -informatik an der TU Ilmenau oder BWL/VWL an der MLU München, sind auf Studiengänge mit einer Regelstudienzeit von neun Semestern angelegt. Sie könnten aber durch Bildung von Studien-Blöcken oder präzise Definition von Teilfächern oder Teileinheiten des Studiums modularisiert werden. Damit könnte ein Studium zeitlich entsprechend den individuellen Notwendigkeiten der Studierende gestreckt oder Teilfächer/Teileinheiten von Studiengängen nach Wahl der Studierenden individuell kombiniert werden. Dazu ist in der örtlichen Prüfungsordnung die Möglichkeit zu eröffnen, Module des Studiums in studienbegleitenden Prüfungen abzuschließen und über die Akkumulation dieser Prüfungsleistungen einschließlich einer Studienabschlußarbeit einen vollwertigen Studienabschluß mit entsprechendem akademischen Grad zu erreichen. Durch die Anlage des Studiums und der studienbegleitenden Prüfungen, mit denen die Vordiplom- und Diplomprüfung additiv erworben werden, ist die grundsätzliche Möglichkeit gegeben, Studienleistungen und Diplomarbeit auf mehr als die übliche Regelstudienzeit von neun Semestern zu verteilen, insgesamt aber die Lehr- und Studienangebote nicht umfangreicher als in der Regelstudienzeit vorgesehen in Anspruch zu nehmen.
Im Hinblick auf
empfiehlt die Hochschulrektorenkonferenz die verstärkte Einführung von studienbegleitenden Prüfungen in Verbindung mit Kredit-Punkte-Systemen. Ein solches System erleichtert auch die Modularisierung des Studiums. a) Als Alternative zu Blockprüfungen - Zwischen-/oder Abschlußprüfungen - sollten studienbegleitende Prüfungen verbunden mit einem Kreditpunkte-System in den Studiengängen eingeführt werden. Dadurch werden die Studierenden für ein kontinuierliches Studium motiviert und durchgängig über ihren Leistungsstand orientiert. Das Abschlußzeugnis, das alle Einzelnoten enthält, gibt differenziert Aufschluß über den aufgrund von Teilprüfungen und Lehrveranstaltungen bestimmten Kenntnis- und Leistungsstand der Absolventen. Voraussetzung für die Vergabe von Kredit-, Leistungs- oder Anrechnungspunkten sind erbrachte Studien- und (studienbegleitende) Prüfungsleistungen nach einer Lehrveranstaltung. Die Zahl der vergebenen Systempunkte hängt vom zeitlichen Umfang und der fachlichen Gewichtung der jeweiligen Lehrveranstaltung im Studiengang ab. Die Punkte sind auf Fachbereichsebene oder zentral in der Hochschule (Prüfungssekretariat) zu speichern. Den Studierenden sollte regelmäßig ihr Gesamtpunktestand mitgeteilt werden. Gleiches gilt für die erreichten Noten. Für einen Hochschulwechsel ins Inland oder Ausland sind die erreichten Leistungspunkte als Nachweis erbrachter Prüfungsleistungen und Belege des Kenntnisstandes der Studierenden maßgeblich. Die Noten der studienbegleitenden Prüfungen finden ihren Niederschlag in der Gesamtnote der Diplomprüfung und werden als Anlage dem Abschlußzeugnis beigefügt. b) Ein Kreditpunkte-System als Beleg studienbegleitender Prüfungen erleichtert eine Modularisierung von Studiengängen. In Modulen werden Stoffgebiete zu thematisch und zeitlich abgerundeten, in sich abgeschlossenen und abprüfbaren Einheiten zusammengefaßt. Sie umfassen Vorlesungen, Übungen, Praktika, Seminare eines Teilfachs in einem Studiengang. Sie erleichtern die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die einzelnen, systematisch aufeinander aufbauenden Lehrveranstaltungen werden jeweils mit Klausuren oder mündlichen Prüfungen oder Seminararbeiten abgeschlossen. Die Ergebnisse finden ihren Niederschlag in Leistungspunkten und Noten, die getrennt auszuweisen sind. Die Hochschulen müssen Inhalte, zeitlichen Umfang und fachliche Gewichtung eines Moduls vom Studiengang definieren. Ein Transfer von Modulen und Kreditpunkten zur Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen in deutsche und ausländische Hochschulen wird nur erfolgreich sein, wenn die Fächer und Fachbereiche Information über und Transparenz der Studieninhalte sowie zeitlichen und fachlichen Gewichtung von Lehrveranstaltungen und Modulen sicherstellen und sich auf zeitliche und inhaltliche Mindeststandards verständigen. Diesem Ziel sollten auf Prüfungsordnungen basierende Informationsmaterialien - beispielsweise in Form kommentierter Veranstaltungsverzeichnisse, in denen auch die den einzelnen Lehrveranstaltungen zugeordneten Kredit-/Leistungspunkte angegeben sind - und Vereinbarungen zwischen den Hochschulen dienen. Anlage
1) Attraktivität durch internationale Kompatibilität - Zur Zulassung ausländischer Studierender insbesondere zu Graduierten- und Promotionsstudien in Deutschland. Empfehlung des 179. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz, 9. Juli 1996, Bonn 1996 (= Dokumente zur Hochschulreform 112/1996) 2) HRK: Arbeitsbericht 1991, Bonn 1992, S. 43 bis 67 3) WRK: Arbeitsbericht 1988, Bonn 1989, S. 78/79 4) Bei der folgenden Beschreibung ausgewählter Modelle wird zurückgegriffen auf: Dalichow, Fritz "Kredit- und Leistungspunktsysteme im internationalen Vergleich", Forschungsstudie für das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF), Bonn 1997. |
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